Alleine wandern im Bärengebiet
- hannahJnc
- 21. Jan.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Feb.
Normalerweise bin ich gewandert, um den Kopf frei zu bekommen, Stress zu vergessen und Ausblicke zu genießen. Nachdem ich meine ersten Wanderungen in Kanada gemacht habe, hatte ich aber genau eine Sache nicht: Einen freien Kopf. Und Grund dafür? Die ständige Angst, einem Bären zu begegnen. Bis ich mich einfach mal mehr damit beschäftigt habe.

Sich mit den richtigen Verhaltensweisen beim Wandern im Bärengebiet zu beschäftigen, ist unvermeidlich. Dabei geht es nicht darum, die Angst vor den riesigen Fellknäulen zu schüren, aber das Wandern in ihrem Territorium erfordert Respekt, Wissen und Vorbereitung.
💡Kurz vorab: Ich finde das klingt alles immer dramatischer, als es ist und als würde es im Bärengebiet vor Bären wimmeln wie in einem Kaulquappenbecken. Aber die meisten Wildtiere tun ihr Bestes, um menschliche Interaktionen zu vermeiden.
Dennoch besteht bei jeder Wanderung in Bärengebieten die Möglichkeit, einem zu begegnen. Von Natur aus meiden Bären Menschen eher, aber je mehr sie sich an Menschen, Camper und Wanderer gewöhnen, desto größer wird das Risiko von Begegnungen zwischen Bär und Mensch.
Das Wichtigste, was ich erst lernen und verinnerlichen musste: Ein Bär versteckt sich nicht hinter einem Baum und darauf wartet darauf, sich auf dich zu stürzen und mit jeder Wanderung, kam ein kleines bisschen Selbstsicherheit und Freiheit zurück zu mir. Und irgendwie ist es ja auch mega die Ego-Perspektive des Menschen, dass sich alles um einen selbst dreht.
Die Realität sieht eher so aus: Bären sind mit ganz anderen Dingen (hauptsächlich essen) beschäftigt und wenn du ein paar Verhaltensweisen beachtest, kannst vielleicht auch du ein bisschen entspannter durch die kanadischen Rockies oder andere Bärengebiete gehen.
Dieses Wissen und folgende Tipps haben mir geholfen, etwas selbstsicherer durch die kanadische Wildnis zu wandern und vielleicht helfen sie auch dir zu mehr Selbstsicherheit und für den Fall einer Bären-Begegnung gewappnet zu sein. 💚
1) Geh niemals ohne Bärenspray los (!) 🧯
Egal wie kurz der Weg ist: Sobald du das Auto verlässt solltest dein Bärenspray am Start sein. Das mag lächerlich klingen und der Gedanke "Ach, für die 100 Meter brauche ich das nicht" mag naheliegen, aber falsch gedacht.
Kurze Anekdote: Im September 2024 bin ich bei den Loretta Ponds in Kananaskis ausgestiegen. Hier sind immer ein paar Menschen, die Picknick machen oder Angeln und der Weg um die Teiche ist nur kurz und gut einsehbar. Dennoch liegt das Gebiet direkt am Fuße eines Berges und am Rand des Waldes. Und das erste, was ich sehe, als ich ankomme? Ein Schwarzbär auf der anderen Seite des Wassers, der fröhlich auf ein Pärchen zuspaziert, das nichtsahnend auf einer Brücke stand.
Mein Learning: Bärenspray ist IMMER dabei, sobald ich aus dem Auto steige.
Bärenspray ist dein ultimativer Helfer und im Ernstfall deine beste Verteidigung, um aggressives Verhalten von Bären zu stoppen. Eine Studie über Bärenbegegnungen in Alaska hat gezeigt, dass 98 % der Menschen, die Bärenspray verwendet haben, unverletzt davonkamen. Die restlichen 2 % hatten nur leichte Verletzungen.
Das Geheimnis des Abwehrsprays? Hochdosiertes Pfefferspray, das die Augen, die Nase und die Lungen eines Bären vorübergehend reizt. Für Menschen ist dabei ebenfalls höchste Vorsicht geboten, denn das Bärenspray kann starke Reizungen der Augen, Atemwege und Haut verursachen kann.
💡Good to know: Bärenspray schützt übrigens nicht nur vor Bären, sondern auch vor anderen Wildtieren wie Pumas.
So setzt du es richtig ein:
Trage dein Bärenspray immer griffbereit, zum Beispiel an einem Gürtelholster, Rucksackriemen oder Hüftgurt.
Verstaue es niemals am Boden deines Rucksacks. Wenn du einen Bären überraschst, hast du nur wenige Sekunden Zeit zu reagieren und es bleibt keine Zeit, um zu kramen.
Viele Outdoor-Läden oder Verleihstationen zeigen dir gerne, wie man Bärenspray effektiv einsetzt.
In diesem Video zeigt Canada Parks, wie Bärenspray funktioniert:
Solltest du Bärenspray verwenden müssen, verlasse den Bereich danach und informiere die zuständigen Behörde des Parks. Mit der Zeit kann Bärenspray nämlich Bären anlocken, da es für sie einen süßlichen Geruch hat. Wenn du bei einer Behörde Bescheid sagst, können Ranger einschätzen, ob ein Gebiet oder ein Wanderweg aufgrund von Bären-Aktivität gesperrt werden muss oder andere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
2) Akzeptiere gesperrte Wege und Hinweise 🛑
Hinweise, die meist an den Startpunkten oder Parkplätzen der Trails ausgehängt werden, sollten beachtet werden, denn sie hängen dort IMMER aus einem guten Grund. Oft schließen Parkwächter Wanderwege, um potenzielle Begegnungen zwischen Menschen und Bären zu vermeiden. Wenn ein Bär z.B. in einem Gebiet gesichtet wird oder eine Bärenmama mit seinen Jungen in der Nähe des Weges unterwegs ist, sperren die Parkwächter den Trail.
Das bedeutet: Auch wenn ein Hike vielleicht schon seit Jahren auf deiner Bucketlist steht und es verlockend ist, die Absperrung zu überklettern: Tu es einfach nicht. Es gibt einen Grund für die Sperrung des Weges und wenn du dich nicht daran hältst, riskierst du dein eigenes Leben (und das der Bären).
Was ich vor jeder Wanderung mache: Ich informiere mich am Abend vorher meistens über den Zustand des Weges auf der zugehörigen Seite des Parks und über AllTrails. AllTrails ist die App, die im nordamerikanischen Raum am häufigsten genutzt wird. In den Kommentaren sind neben der aktuellen Beschaffenheit des Trails (besonders im Winter) aktuelle und gute Hinweise auf Wildlife-Aktivität zu finden.
Es kann natürlich passieren, dass ich abends die App checke und morgens ein Aushang am Startpunkt der Wanderung ist. Für diesen Fall habe ich meistens direkt einen Alternativ-Plan, um meine Wander-Freude nicht zu crashen.
3) Achte auf deine Umgebung 👂
Beim Wandern im Bärengebiet brauchst du alle Sinne, Punkt. Du bist dort, um die Natur zu genießen, also lass deine Kopfhörer und alles, was dich davon ablenken könnte, einfach zu Hause. Stelle all deine Sinne auf "ON" und achte beim Wandern immer auf deine Umgebung: Geräusche, Pflanzen, Beeren oder sogar tote Tiere und kreisende Vögel können ein Hinweis auf Bären sein.
Es gibt ein paar Dinge, die du tun kannst, um zu vermeiden, einen Bären zu überraschen, da er dann am ehesten gefährlich wird, weil er sich angegriffen fühlt:
Halte die Augen offen nach frischen Spuren, Kot oder Futterstellen.
Beobachte den Verlauf des Weges und schaue besonders auf Gegenwind, fließendes Wasser, Kurven und dichte Vegetation. Auch wenn Bären gut besuchte Wege eher meiden, sind weniger begangene Wege für Bären der einfachste Weg, um sich durch die dichte Vegetation zu bewegen!
Mach genug Geräusche, besonders wenn es sein kann, dass der Bär dich in der Umgebung schlechter hören, riechen oder sehen kann. Die menschliche Stimme ist für einen Bären am ehesten erkennbar.
Geh nicht davon aus, dass der Bär dich zuerst sieht. Die Zeit, die Bären haben, um sich auf den nächsten Winterschlaf vorzubereiten und große Mengen an Nahrung zu sich zu nehmen, ist sehr begrenzt. Das bedeutet, dass sie ihre Aufmerksamkeit ihrer Futterquelle widmen, von der sie nur ungerne ablassen.
4) Was ist mit Bärenglocken? 🔔
Bärenglocken sind günstig und wird Touristen als eine einfache Option verkauft, um Bären abzuschrecken. Ich persönlich halte von Bärenklingeln nicht so viel, da ihre Lautstärke so gering ist und sie leicht von den Naturgeräuschen wie Wind, Wasser und Wald übertönt werden können.
Zusätzlich finde ich das Klingeln auch eher irritierend, weil ich meine Sinne nicht mehr wirklich auf die Geräusche der Natur richten kann. Es gibt aber auch Personen, die sich dadurch sicherer fühlen. Solltest du dich entscheiden, eine Bärenklingel bei dir zu tragen, denke daran, deine Umgebung trotzdem aufmerksam wahrzunehmen und zusätzlich Bärenspray bei dir zu tragen.
Die deutlich effektivere Alternative: Deine eigene Stimme. Denn Bären vermeiden wo möglich den Kontakt mit Menschen und können menschliche Stimmen als solche erkennen.
Nach Angaben von Alberta Parks sind andere Arten von effektiven Krachmachern:
Drucklufthörner: Diese können im Bärengebiet leicht mitgeführt werden und erzeugen einen lauten, durchdringenden Ton von mehr als 120 Dezibel.
Böller-Patronen: Dies sind Kugelschreiber- oder Pistolenwerfer. Sie werden 20 bis 100 Meter weit geschossen und erzeugen dann einen lauten Knall. Aber Achtung: Bestimmte Exemplare können in Wäldern Brände verursachen.
Schreckschusspistolen: Sie erzeugen ein lautes, kontinuierliches Kreischen über eine Entfernung von etwa 100 Metern. Ihr Flugmuster ist unberechenbar, seien Sie also äußerst vorsichtig, wenn Sie sie einsetzen. Zielen Sie beim Ausrichten des Lärmschutzes auf den Himmel.
5) Halte die Augen nach Beeren offen 🫐
Buffalobeeren sind das absolute Lieblingsessen von Bären, besonders in den kanadischen Rockies. Diese Büsche mit ihren dunkelroten Beeren, die winzige weiße Punkte haben, wachsen oft an sonnigen, niedrig gelegenen Wegen. Von Juli bis September geraten die Bären in einen regelrechten Fressrausch, wenn die Beeren reif sind.
Wenn du Buffalobeeren auf deinem Weg entdeckst:
Sei besonders vorsichtig und wachsam
Sei laut genug, mache Geräusche
Überlege, ob du auf einen anderen Trail ausweichen möchtest, besonders, wenn der Weg wenig begangen ist.
Vermeide außerdem Bereiche, in denen Tierkadaver liegen könnten. Wenn du etwas Verwestes riechst oder Vögel über einem bestimmten Bereich kreisen siehst, geh lieber woanders hin. Bären sind sehr beschützend, wenn es um ihr Futter geht.
6) Behalte deinen Rucksack und deine Ausrüstung im Auge 🎒
Lass niemals deinen Rucksack unbeaufsichtigt, nicht mal für ein paar Minuten. Bären sind unglaublich schlaue Wesen und lernen schnell, Rucksäcke von Menschen mit Essen zu verbinden. Wenn ein Bär einmal menschliches Essen bekommt, wird er mutiger und versucht vielleicht, andere Rucksäcke zu plündern.
❗Denke außerdem daran:
Immer bärensichere Mülleimer oder Behälter zu verwenden, um Essen zu entsorgen.
Wirf keinen Müll weg und nimm alles mit, was du mitgebracht hast. #leavenotraces
Ein Bär, der menschliches Essen bekommt, muss oft getötet werden. Daher stammt der Spruch: „Ein gefütterter Bär ist ein toter Bär.“
7) Wandere nicht allein 🧑🤝🧑
Klingt vielleicht komisch, wenn ich das sage, weil ich oft alleine unterwegs bin, aber Gruppen von drei oder mehr Personen haben deutlich seltener negative Begegnungen mit Bären. In Yellowstone ereigneten sich 91 % der bärenbedingten Verletzungen bei Einzelwanderern oder Paaren, während Gruppen von vier oder mehr Personen fast keine Probleme hatten.
Warum ist das so?
Größere Gruppen wirken auf Bären einschüchternd, sind lauter, riechen stärker und überraschen Bären seltener.
Profi-Tipp: Sicheres Wandern in Bärengebieten bedeutet, viele kleine Entscheidungen zu treffen, um Risiken zu minimieren. Das Wandern in einer Gruppe ist eine der besten Maßnahmen.
Warum ich trotzdem oft alleine losgehe: Weil ich 1. die Freiheit liebe und 2. nie in einem Gebiet wandere, wo ich keine anderen Personen sehe. Ich achte immer darauf, dass am Parkplatzes meines Wanderweges ein paar Autos stehen, damit ich weiß, dass ich nicht alleine in dem Gebiet bin. Zusätzlich ergreife ich alle Sicherheitsmaßnahmen, die ich alleine sicherstellen kann, wie laute Selbstgespräche, mit Argus-Augen meine Umgebung beobachten und nicht zu Dämmerungszeiten unterwegs zu sein.
8) Meide aktive Bärenzeiten ⌚
Bären sind am aktivsten in der Dämmerung, bei Sonnenaufgang und nachts – vor allem Grizzlys im Sommer. Wenn du neu in der Gegend bist, vermeide es am besten komplett, zu diesen Zeiten zu wandern.
Ich weiß, dass besonders Sonnenauf- und Sonnenuntergang bei Outdoor-Fans hoch im Kurs sind. Wenn du also doch eine Sonnenauf- oder untergangswanderung planst, sei besonders wachsam und gehe am besten in einer Gruppe, um Bären nicht zu überraschen.
9) Bleib auf dem Weg 🥾
Auf markierten Wegen zu bleiben, verringert die Chance, einem Bären zu begegnen, und ist ein wichtiger Teil der Leave No Trace-Regeln. Bären meiden oft belebte Wege, da sie diese mit Menschen in Verbindung bringen.
Für Hundebesitzer: Halte deinen Hund immer an der Leine. Ein bellender oder frei laufender Hund kann bei einem Bären einen Verteidigungsinstinkt auslösen – was dich und deinen Hund in Gefahr bringt. Außerdem ist das Anleinen von Hunden in den meisten Parks gesetzlich vorgeschrieben.
Das reicht dir noch nicht, um dich sicher zu fühlen?
Dann würde ich dir empfehlen, einen kurzen Workshop zu Bear-Safety zu besuchen. Diese Kurse dauern zwischen 1-3 Stunden und werden von erfahrenen Spezialisten geleitet. Dabei lernst du alles Wichtige über Bären, sicheres Verhalten in der Wildnis und den richtigen Umgang mit Bärenspray.
Hier sind einige Optionen für Trainings in Calgary und Canmore:
📍 University of Calgary Outdoor Centre (Calgary)➡ 2-stündiger Workshop über Bärenverhalten, Vorbeugung und den richtigen Einsatz von Bärenspray.
📍 Interpretive Guides Association (Canmore)➡ Detaillierter Kurs über Bärenverhalten, Risikominimierung und praktische Übungen mit Bärenspray.
📍 Canmore Trails and Tales (Canmore)➡ 3-stündiges Wildlife Encounter Training mit praktischen Übungen zu Bärenspray und weiteren Sicherheitsmaßnahmen.
Falls du ein Training in deiner Nähe suchst, lohnt es sich auch, bei MEC (Mountain Equipment Company) vorbeizuschauen – sie bieten gelegentlich Workshops zu Outdoor-Sicherheit an.
Ich hoffe, diese Tipps helfen dir, dich auf das Wandern in Bärengebieten vorzubereiten. Ohne Angst macht es da draußen nämlich viel mehr Soaß. 😊🐻
Comments