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Alleine auf den höchsten Berg Indochinas - und das als Frau

  • Autorenbild: hannahJnc
    hannahJnc
  • 4. Sept. 2024
  • 9 Min. Lesezeit

Kurz nachdem ich vor über 12 Jahren meine Leidenschaft fürs Wandern und Bergsteigen entdeckt habe, habe ich mir vorgenommen, in jedem Land, das ich bereise, den höchsten Berg zu erklimmen. Rückblickend betrachtet, war das vielleicht ein kleines bisschen blauäugig, da damals mit meiner Erfahrung in Deutschland und Österreich wenige Gipfel existierten, die weit über der 3.000 Meter Marke lagen.


Dennoch ist es noch immer das erste, was ich checke, wenn ich ein neues Land bereise: Welcher ist der höchste Gipfel und ist er machbar für mich?



Wandern? In Vietnam?


Vor meiner Reise nach Vietnam checkte ich also, welcher Gipfel der höchste Punkt ist und stieß das erste Mal auf den Fansipan. Mit 3.143 Metern über dem Meeresspiegel ist er der höchste Berg Vietnams als auch von Indochina (Laos, Kambodscha, Vietnam). Er liegt im Norden des Landes, ca. 9 Kilometer südwestlich von Sa Pa in der Provinz Lao Cai, wo ich sowieso hinwollte. Klingt also machbar, oder?


Und wie kommt man da jetzt hoch?


Nachdem ich ein paar Tage bereits in Hanoi und Ha Giang war, brachte mich der vietnamesische Nachtbus stilecht in den Bergort Sa Pa , von dem ich noch ein kleines Stückchen weiterfuhr in ein winziges Örtchen Namens Ta Van, im malerischen Muong-Hoa-Tal. Das Tal beeindruckt mit übereinander gestapelten Feldern an Reisterrassen, die umgeben sind von hohen, übereinander lappenden Bergketten. In dem Dorf leben nur etwa 150 Haushalte, von denen die meisten zum Stamm der Giay gehören, weswegen der Ort auch oft Ta Van Giay genannt wird.  


Ok, ich war nicht ganz alleine ...


Mit meiner Ankunft, beschäftigte ich mich etwas konkreter mit der Tour und war überrascht, dass es kaum Routenangaben, nur spärliche Infos und nur ein paar Trekking Anbieter für die Tour auf den Fansipan gab. Da die Region häufig von sehr dichtem Nebel heimgesucht wird, sich das Wetter schnell ändert und mir mehrmals davon abgeraten wurde, die Tour auf eigene Faust zu machen, tue ich das Naheliegendste: Ich frage in unserem Homestay unsere Rezeptionistin um Rat. Ich fragte nach einer Tagestour, wonach sie mich ungläubig anschaute und mir erzählte, dass die Touren normalerweise 2 oder 3 Tage dauern. Dennoch fragte ich explizit nach einer Tagestour, da ich nicht so viel Zeit hatte. Nachdem sie ein paar Telefonate geführt hatte, kam sie zu mir und sagte mir, dass die meisten Tourenanbieter die Tour nicht für einen Tag anbieten. Sie ließ mich ein paar Sekunden schmoren, bis sie mir mit einem strahlenden Lächeln sagte, dass sie trotzdem einen Anbieter gefunden hat, der diese Tour mit mir macht und dass ich am nächsten Morgen um 4 abgeholt werde. Wohooo!


 

Gut zu wissen ❗

Um den Fansipan zu besteigen, braucht man eine Genehmigung, da er sich im Grenzgebiet und im Reservat des vietnamesischen Nationalparks befindet. Die Genehmigung kostet 1.500.000 Dong (knapp 55 €) und ist bei der Buchung einer Trekking-Tour meistens im Preis enthalten. Zusätzlich wird ausdrücklich davon abgeraten, die Tour auf eigene Faust zu machen, aufgrund des sehr dichten Nebels, extrem schnellen Wetterwechseln und falschen sowie fehlenden Routenbeschilderungen und Angaben.


 

Was hab ich mir da eingebrockt?


Als ich abends meinen Rucksack packte und mich bereit für den frühen Start am nächsten Tag machte, flüsterten mir ein paar Zweifel in mein Ohr: Ich bin nicht genug ausgerüstet für eine Tour, da ich mein ganzes Equipment zum Wandern gar nicht dabei hatte, vielleicht werde ich gar nicht abgeholt, denn es war ja nur eine mündliche Absprache, was, wenn ich alleine bin und keine anderen dabei sind? Was, wenn es nur Männer sind? Was, wenn ich zu unfit bin? Bevor all das mich einnahm, schob ich die Zweifel weg, legte mich auf die Matraze in dem gemütlichen Holzzimmer und freute mich auf den nächsten Tag.


Das erste Abenteuer: Den Startpunkt erreichen


Mit typisch Deutscher Pünktlichkeit stehe ich am 29. November 2023 kurz vor 4 Uhr morgens mit gepacktem Rucksack vor der Unterkunft und warte darauf, dass ich abgeholt werde. Da ich die Temperaturen in der vietnamesischen Bergregion überschätzt habe, trage ich bei 7 Grad nur eine dünne Sporthose und ein leichtes Oberteil. Pünktlich um 4 Uhr höre ich durch die Stille der Nacht ein lauter werdendes Motorengeräusch, was sich kurze Zeit später als mein Shuttle herausstellt. Womit ich nicht gerechnet habe: Ich werde natürlich nicht mit einem Auto, sondern einem Roller abgeholt. Es ist noch dunkel, ich bin viel zu kalt angezogen und finde mich nur 2 Tage nach meiner Motorbike Ha Gian Loop Tour, (von der sich mein Hintern eigentlich immer noch erholt) mal wieder auf einem Roller wieder. 

Nach ein paar Minuten hinten auf dem Motorbike über Schotterpisten denke ich mir: was mache ich hier grad eigentlich? Ich sitze mitten in der Nacht in Vietnam im Nirgendwo bei einer fremden Person, dessen Namen ich nicht einmal kenne, hinten auf dem Roller und fahre mit ihr eine halbe Stunde bei eisigem Wind und irrem Tempo an einen Ort, den ich nicht kenne. Ohne Empfang. Und als wir dann auch noch auf einem ausgestorbenen Schotterplatz stoppen, bekomme ich fast ein mulmiges Gefühl, als der Rollerfahrer mir ohne Worte bedeutet, in das einzige Auto weit und breit zu steigen, das bereits auf uns wartet. Vielleicht ist er selbst noch müde? Naja, ich ersticke mein mulmiges Gefühl durch die Hoffnung, dass es im Auto ein bisschen wärmer ist, aber Pustekuchen. Alle Fenster sind offen und die Frage, ob wir die Fenster schließen könnten, verstehen die beiden Männer nicht.


Nach weiteren 15 Minuten lässt der Fahrer des Autos den Rollerfahrer und mich an einem Gebäude rausgelassen, das aussieht, wie ein alter Bahnhof, nur ohne Schienen. Wenn drinnen kein Licht brennen würde, könnte man denken, es sei eine alte Ruine. Mein Roller-Fahrer wechselt ein paar Worte mit einem Officer, der meinen Ausweis sehen möchte und mich kritisch anschaut, bevor er das süßeste Lächeln aufsetzt und mir ‚Good Luck’ wünscht. Bis zu diesem Moment hatte ich noch erwartet und gehofft, dass noch ein paar andere die Tour machen, aber anscheinend ist wohl niemand so gestört, den Fansipan an einem Tag besteigen zu wollen. Und genau das verdeutlicht mir der Rollerfahrer, der anscheinend auch mein Guide ist, nochmal mit der Frage „Fansipan One Day, really?!“.


Auf in den Sonnenaufgang ☀️



Um kurz vor 5 morgens starten wir also unsere Tour auf den Fansipan. Nur mein Trekking Guide und ich, in der Dunkelheit auf einem winzigen Pfad. Um uns raschelt es und man hört weit entfernt ein paar Nachtvögel. Vor uns liegen nun knapp 10 Kilometer und über 1.400 Höhenmeter, bis wir den Gipfel erreichen. Auf den ersten Metern komme ich endlich mit meinem Guide (dem Rollerfahrer) ins Gespräch. Sein Name ist Chu (ausgesprochen Tu), er ist 24 Jahre alt und normalerweise macht seine Frau die 2-Tages-Tour. Und das zwei oder drei Mal wöchentlich. Heute springt er ein, weil sie vor zwei Tagen ein Kind bekommen hat.

Nach ungefähr einer Stunde melden sich die ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs, der unsere Umgebung in ein weiches, warmes Licht taucht und die Tautropfen auf dem satten Grün der Blätter um uns herum enthüllt . Mit jedem Schritt und jeder Sekunde werden die Farben intensiver und die Sonne gewinnt mit jedem Millimeter, den sie den Himmel hinaufklettert, an Kraft. Es ist weit und breit kein Geräusch außer unserem Atem und Schritten zu hören und ich habe das Gefühl, wir sind ganz alleine in Vietnam.




Um ca. 8:30 Uhr erreichen wir einen einem provisorischen Shelter und machen eine „Lunch“-Pause. Wir haben schon einige Höhenmeter hinter uns und mit dem Sonnenaufgang kam ein frischer Wind auf. Deswegen freue ich mich sehr, als ich von Draußen ein Feuer im Shelter erspähe, an dem eine Frau sitzt und etwas schnitzt. Der Shelter hält den Großteil des Windes ab und ich kann es gar nicht erwarten, in die gemütliche Atmosphäre einzutauchen, auch wenn sie so ganz anders gemütlich ist, als man es aus einer holzigen Hütte in Europa gewöhnt ist.





Chu zeigt keine Anzeichen von Erschöpfung und macht sich direkt an die Arbeit, um mir eine Mahlzeit zuzubereiten. Obwohl ich ein paar Mal frage, ob ich helfen kann, besteht er darauf, mir das Essen zuzubereiten und gibt mir zu verstehen, dass ich mich ans Feuer setzen soll. Das Feuer ist nicht groß und strahlt daher nicht sehr viel Wärme ab. Um alles an Wärme abzubekommen und mich aufzuwärmen, kauere ich mich so nah es geht ans Feuer. Die schnitzende Frau schenkt mir ein schmunzelndes und mitfühlendes Grinsen, denn sie kann wohl sehen, dass mir kalt ist. Sie trägt Lagen-Look, hat mir also ein paar Lagen voraus, und eine dicke Mütze. Während sie weiter schnitzt und ab und zu in einem Kochtopf über dem Feuer rührt, stellt Chu mir einen kleinen Teller Obst neben mich. Ich frage die Frau, ob sie auch etwas möchte. Nach kurzem Zögern zeigen mir ihre strahlenden Augen, dass sie sich sehr über das Angebot freut, bevor sie sich ein Stück Birne vom Teller nimmt (jedenfalls glaube ich, dass es Birne war) 🥰.


Kurze Zeit später, serviert Chu mir eine heiße Reisnudelsuppe mit Chinakohl und Ei, die er in der provisorischen Küche der Hütte gezaubert hat. Bis heute muss ich sagen: Das war die köstlichste und herzlichste Mahlzeit, die ich in ganz Vietnam gegessen hab




 

Wusstest du, dass Frauen in Vietnam…

  • Sogar zwei Frauentage haben? Einmal den internationalen Weltfrauentag am 8. März feiert Vietnam jedes Jahr am 20. Oktober den vietnamesischen Frauentag mit Blumen und viel Liebe ihrer Familien.

  • seit der Wiedervereinigung von 1975 in der Wirtschaft auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung sind und heute in beruflichen Situationen fast gleich stark vertreten wie Männer? Im Gegensatz zu anderen Ländern der Region – etwa Laos oder Kambodscha –, wo Frauen immer noch eher klassische Rollen einnehmen und oft entsprechende Tätigkeiten ausüben, trifft man in Vietnam Frauen in praktisch allen Berufen und auf allen Ebenen des Managements an.

  • nur der Politik-Sektor noch von Männern dominiert wird?

  • eine tragende Rolle im Vietnam Krieg hatten? Ob an der Front oder im Hintergrund, Frauen galten in diesem Krieg genauso oft als heldenhaft, wie Männer. Sie kämpften, bauten und brachten große Opfer.

  • Heute nicht mehr nur ein Symbol für den Charme und die Schönheit des Landes sind, sondern auch eine immer wichtigere Rolle in der Entwicklung Vietnams einnehmen? Sie prägen mit Stärke, Hingabe und Krearivität ihr Land.

  • Das Parlament in Vietnam 2006 ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet hat und das Verbot von Genderdiskriminierung 2013 sogar Verfassungsrang erhielt?

  • Im Gegensatz zu anderen Ländern der Region – etwa Laos oder Kambodscha –, wo Frauen immer noch eher klassische Rollen einnehmen und oft entsprechende Tätigkeiten ausüben, trifft man in Vietnam Frauen in praktisch allen Berufen und auf allen Ebenen des Managements an.


 

Nachdem ich mich an der Suppe aufgewärmt und sattgegessen habe, geht es weiter und ich bin echt froh, wieder in Bewegung zu kommen, um meine Muskeln und Bänder wieder mit Wärme zu füllen. Vor dem Shelter unterhalte ich mich noch kurz mit einem Briten, der auf dem Rückweg seiner 3-tägigen Tour ist und etwas geknickt war, weil er die ersten 2 Tage nur im sagenumwobenen Nebel verschwunden ist und nicht den erhofften Ausblick hatte, den er sich gewünscht hat. Ich schaue in den Himmel, der mir blau und wolkenfrei entgegenstrahlt. Eine dünne Wolkendecke haben wir bereits unter uns gelassen und ich hoffe einfach, dass das Wetter noch ein wenig hält.





Der Weg geht unerbittlich steil weiter und es gibt kaum eine Stelle, die einlädt, eine Verschnaufpause einzulegen und die wunderschönen Ausblicke zu bewundern. Auf dem schmalen, dichtbewachsenen Weg kommt uns weiterhin kaum jemand entgegen, bis auf zwei Landwirte, die auf ihren Rücken riesige Körbe mit verschiedenem Inhalt transportieren. Beide sind absolut top ausgestattet: mit Schlappen. Wieder einmal zeigen mir die Vietnamesen, dass alles möglich ist und ich muss darüber schmunzeln, dass ich mich vorher gefragt habe, ob ich die Tour wirklich mit meinen Laufschuhen machen kann, da ich für die Reise nach Asien meine Wanderschuhe zu Hause gelassen habe.


Ich habe einen Berg bestiegen und eine Medaille bekommen


Nach ca. 4 Stunden kommen wir oben an der Gondelstation an: Ein kleiner Kulturschock, denn hier erwarten uns sehr viele Menschen und ein riesiges ausgebautes Gelände, das ich so nicht erwartet habe. Von der Gondelstation aus sind es nochmal knapp 200 Höhenmeter über etliche Treppen, bis wir wirklich den Gipfel erreichen. Die Treppen führen zwischen Tempeln und riesigen Buddha Statuen vorbei, die mich staunen lassen. Mittlerweile habe ich Chu, der so lange keine Anzeichen von Müdigkeit gezeigt hat, abgehängt und als ich mich umdrehe, schleppt er sich schnaufend die letzten Treppen hoch und lacht mir zu, als er sieht, dass ich am oberen Treppenabsatz mit einem High Five auf ihn warte. Auch, wenn unsere verbale Kommunikation sich auf ein Minimum beschränkt, ist unsere nonverbale Kommunikation um so herzlicher. Wir verstehen uns und ich bin froh, dass er auf der Tour meine Begleitung war.  




Chu kramt in seinem Rucksack rum und fischt eine Medaille und ein laminiertes Zertifikat raus, die er mir überreicht. Er sagt mir, dass er noch nie so schnell oben auf dem Gipfel war und dass er die Tour selbst ein paar Mal als Tagestour gemacht hat und ca. 6 Stunden gebraucht. Ich bin also sein neuer Rekord fühle mich geschmeichelt und denke mir nur: miss dich nicht mit den Germans, hihi.





Und das Fazit?

Bis heute sehe ich die atemberaubende Aussicht vom Fansipan vor mir, die Abstufungen und verschiedenen Schichten des Hoàng-Liên-Sơn-Gebirges. Auch wenn es am Anfang ein kleines Abenteuer war, habe ich es zu keiner Sekunde bereut, diese Tour alleine als Frau gemacht zu haben. Die Vietnamesen sind ein unglaublich herzliches Volk und die gesamte Kultur, besonders die Stärke der Frauen, haben mich nachhaltig beeindruckt.


Falls du Tipps für deine nächste oder erste Wanderung brauchst oder noch mehr Wander-Inspiration suchst: schau doch mal auf @hannahjnc vorbei oder schick mir eine Nachricht. 😊 

 
 
 

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